In 2016 war ich für 2 Monate in Asien unterwegs. 10 Tage davon habe ich Vipassana in der Nähe von Pokhara in Nepal erlebt und die Qualität von „noble silence“ schätzen gelernt.

Ich habe irgendwann ein Buch gelesen, in dem eine Frau von ihrer Vipassana-Erfahrung berichtete. Ich kannte das nicht. Meditieren hatte ich bis zu dem Zeitpunkt auch noch nicht. Und trotzdem reizte es mich. Denn ich wollte schon immer mal in ein Schweigekloster gehen. Ich rede sehr gerne. Und genau deshalb wollte ich mal erfahren, wie sich tagelanges Schweigen auf mich auswirkt. Mein engster Umkreis belächelte das etwas und wirklich viele haben es mir gar nicht zugetraut, dass ich das hinkriegen würde. Na gut, das spornte mich natürlich erst recht an.

Vipassana bedeutet die „Sicht nach Innen“, in dem du 10 Tage schweigst und meditierst.

Der Tagesablauf:

UhrzeitWas
04:00 UhrAufstehen
04:30 Uhr bis 06:30 UhrMeditation
06:30 Uhr bis 08:00 UhrFrühstück
08:00 Uhr bis 09:00 UhrGruppenmeditation (ohne sich zu bewegen)
09:00 Uhr bis 11:00 UhrMeditation nach Anweisung des Lehrers
11:00 Uhr bis 12:00 UhrMittagessen
12:00 Uhr bis 13:00 UhrRuhepause und Möglichkeit zur „Sprechstunde“ mit dem Lehrer
13:00 Uhr bis 14:30 UhrMeditation
14:30 Uhr bis 15:30 UhrGruppenmeditation (ohne sich zu bewegen)
15:30 Uhr bis 17:00 UhrMeditation nach Anweisung des Lehrers
17:00 Uhr bis 18:00 UhrTeepause
18:00 Uhr bis 19:00 UhrGruppenmeditation (ohne sich zu bewegen)
19:00 Uhr bis 20:15 UhrVortrag des Lehrers
20:15 Uhr bis 21:00 UhrGruppenmeditation
ab 21:30 UhrSchlafen
Tagesablauf Vipassana

Allein dieser Tagesablauf liest sich ja schon heftig. Gut, dass ich nicht vorher wusste, was da körperlich und mental genau auf mich zukam…

In Kathmandu haben wir uns dann erst einmal Meditationskissen schneidern lassen, weil wir ja blutige Anfänger waren. Ja ich weiß, das war keine gute Vorbereitung, aber ich kann euch sagen, es funktionierte trotzdem – zumindest für mich. Ich übte dann vorher bei meiner nepalesischen Familie ein wenig zu meditieren und stellte mir schon die Frage, wie ich das 10 Tage lang durchhalten sollte?!

Bei Ankunft im Vipassana-Meditationscenter wurden wir über die Regeln und den Tagesablauf informiert. Zu diesem Zeitpunkt wurden alle Teilnehmer das letzte Mal gefragt, ob sie das WIRKLICH durchziehen wollen. Denn nur am Ankunftstag gab es die Möglichkeit, doch noch einen Rückzieher zu machen. Wenn du dich dort aber dazu committest, dann gibt es kein Zurück mehr und du bleibst die 10 Tage – ohne Wenn und Aber.

Wir gaben all unsere Wertsachen inkl. Smartphones, Bücher, Schreibsachen usw. ab, denn es war nicht nur das Reden untersagt, sondern auch jegliche Art der Ablenkung, also:

  • kein Fernsehen
  • kein Smartphone
  • kein Whats App
  • keine Musik
  • kein Buch zum Lesen
  • kein Bleistift oder Block, um die Erlebnisse aufzuschreiben.

Du solltest alles mit dir ausmachen. Na das konnte ja heiter werden.

Wir waren insgesamt 50 Personen aus aller Welt. 25 Frauen und 25 Männer. Getrennt. Die Männer in ihrem Bereich und wir Frauen in unserem – auch in der Mediationshalle saßen die Männer auf der linken und wir auf der rechten Seite. Jeder hatte seinen zugewiesenen Platz – ob beim Meditieren, beim Essen oder in den Schlafhütten. Ich habe in einem Raum mit 4 weiteren Frauen aus Nepal, USA, Malaysia und Australien geschlafen. Der Raum hatte nur drei Betten, die anderen beiden (old students) mussten auf dem Boden schlafen.

Die ersten Tage hatte ich mehr mit der Hygiene zu kämpfen als mit dem Schweigen oder Meditieren. Es war dreckig und feucht und Ameisen krabbelten in meinem Bett. Spinnen gab es auch überall. Es gab 2 asiatische Toiletten ohne Toilettenpapier und eine Solardusche, die allerdings nie heißes Wasser erzeugte ;-).

Eines Abends kurz vorm Schlafengehen, sah ich zwischen meinem und dem Bett meiner malaysischen Bettnachbarin eine riesengroße Spinne sitzen. Ich erschrak, nur durfte ich ja nicht sprechen und mit ihr beratschlagen, was wir jetzt machen. Ich beobachtete sie. Sie wirkte total ruhig und machte sich bettfertig, putzte Zähne und legte sich seelenruhig ins Bett. Na gut, dachte ich mir, wenn sie so ruhig bleibt, dann krieg ich das auch hin – eine andere Wahl hatte ich eh nicht. Somit schlief ich dann auch irgendwann ein, mit dem Schlafsack über meinen Kopf gezogen. (Bemerkung: Am Ende des Schweigens fragte ich meine Bettnachbarin nach der Spinne und wie sie da so ruhig bleiben konnte. Sie schaute mich nur erstaunt an und sagte: ich habe keine Spinne gesehen!!!)

Die Regeln waren außerdem auch:

  1. kein lebendes Wesen töten
  2. nicht stehlen
  3. sich jeglicher sexueller Aktivitäten enthalten
  4. nicht lügen
  5. keine Rauschmittel irgendwelcher Art (einschließlich Tabak und Alkohol) zu sich nehmen.

Jeder kannte die Regeln und hielt sich daran.

Wir schwiegen 10 Tage lang. Dazu zählte auch die nonverbale Kommunikation. Kein Augenkontakt. Kein Gestikulieren oder Zeichensprache. Einfach nichts. Und es war überhaupt nicht schlimm für mich. Ganz im Gegenteil. Als Führungskraft war ich in Deutschland ja ständig ansprechbar und jeder wollte was von mir… und wie oft ich da meinen Namen hörte… doch dort durfte ich einfach mal nicht ansprechbar sein. Was für eine Wohltat! Wenn ich auf dem Weg durch den Garten jemandem begegnete, schauten wir zu Boden, um Augenkontakt zu vermeiden. Wir durften uns nicht grüßen. Das war auch mal so herrlich schön – nicht „Hallo“ sagen zu müssen. Einfach nur bei sich zu bleiben.

Meine Freundin Kirsten hat bei diesem Experiment auch mitgemacht. Und jeden Tag dachte ich mir, oh je, sie wird mich in Gedanken sicherlich verfluchen, weshalb ich so eine Schnapsidee hatte und wir jetzt hier leiden ;-). Da wir zusammen gerne und oft lachen, haben wir immer versucht uns aus dem Weg zu gehen. Ich habe auch immer darauf geachtet, nicht mit ihr alleine gerade beim Abwasch oder so zu sein, denn dann hätten wir beide sicherlich loslachen müssen ;-).

Doch das Schweigen machte mir wenig aus. Zu Beginn war es in meinem Kopf wild und rauh wie ein stürmisches Meer mit vielen Wellen. Doch mit jedem Tag der verging, wurde der Kopf ruhiger und die Gedanken weniger. Wir hatten vom Garten aus einen tollen Ausblick auf einen See, der ganz still und ruhig da lag. So empfand ich am Ende auch meinen Geist – ganz ruhig und still. Das war so schön!

Das Herausforderndste für mich war allerdings das stundenlange Sitzen im Schneidersitz auf dem Meditationskissen. Vor allem die Gruppenmeditationen, in denen man sich möglichst eine Stunde lang nicht bewegen sollte. Na ja, da kam mein früheres Leistungssportler-Dasein bei mir durch, denn das wollte ich unbedingt schaffen. Das hatte natürlich starke Schmerzen zur Folge. Der ganze Körper meldete sich irgendwann und es gab so eine Stelle am Rücken, die meldete sich sehr schmerzhaft – immer nach den ersten 20 Minuten. Das war anstrengend.

Das Ziel war es den Körper und die Körperempfindungen wahrzunehmen, ohne darauf zu reagieren und ohne sie weghaben zu wollen – gerade wenn es schmerzlich wurde. Puuuh, das war schon harter Tobak. Und siehe da, der eine schmerzliche Punkt am Rücken, der sich regelmäßig nach den ersten 20 Minuten meldete, verging nach 40 Minuten einfach wieder von alleine und warum? Weil ich nicht darauf reagierte und gelassen blieb.

Übrigens seit Vipassana sitze ich am liebsten im Schneidersitz ;-). 

Jeden Tag gab es etwas zu lernen. Wir hatten einen Lehrer, der vorne saß und uns die Lehre von „Goenka“ vorspielte und auch selbst Worte an uns richtete, um uns das Meditieren nach Buddha näher zu bringen. Wir hörten auch selbstgesungene Lieder von Goenka. Das war zu Beginn sehr befremdlich und am Ende war jeder darauf im positiven Sinne „konditioniert“. Wenn ich die Lieder selbst jetzt höre, erinnert es mich sofort an damals und es stellt sich auch eine besondere Art der Ruhe ein.

Was habe ich daraus gelernt?

Die ersten drei Tage waren am schlimmsten. Es ging nur darum den Atem zu beobachten – den ganzen lieben Tag lang. Das war langweilig und die Schmerzen vom vielen Sitzen nahmen von Tag zu Tag zu. In den darauffolgenden Tagen konnte ich allerdings immer mehr den Schmerz einfach kommen und gehen lassen ohne groß darauf zu reagieren. Ich beobachtete einfach die Körpersensations. Und am ca. 8.Tag habe ich an meinem ganzen Körper eine Art „Flow“ erlebt. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Keine Schmerzen. Einfach das intensive Spüren meines gesamten Körpers und all seiner Empfindungen. Es war so unverhofft und so schön, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Das war ein lebendiges Glückserleben im Hier & Jetzt.

Ich habe in den 10 Tagen gelernt, dass das innere Glück aus mir selbst entspringt.

Die körperlichen Schmerzen, die ich mir dort selbst durch das lange Sitzen hinzugefügt habe, die haben mir gezeigt, dass all das Leid vorübergeht – auch der Schmerz- wenn ich still beobachte und annehme. Wenn ich einen Krampf im Fuß hatte, habe ich mich nicht bewegt und gewartet und der Krampf lässt schon nach wenigen Minuten nach und alles ist wieder beim Alten – ohne Schmerzen. Diese Erfahrung hätte ich sonst nie so machen können. Und da ich es selbst am eigenen Leib erlebt habe, bleibt es tief verankert in mir.

Wenn ich das auf das Leben im Allgemeinen übertrage sind meine Learnings folgende:

  1. Das Glück steckt in dir. Du kannst dich nur selbst glücklich machen. 
  2. Immer wenn du unbedingt etwas haben möchtest oder etwas weghaben möchtest, verursachst du Leid. Nimm es an, wie es ist und es wird leichter.
  3. Jedes Leid kommt und geht auch wieder. Also brauchst du dir keine Sorgen machen.
  4. Jedes Hoch kommt und geht auch wieder. Also wirst du es im Moment so richtig genießen, weil du weißt, dass es auch wieder anders sein wird und das ist völlig normal. 

Durch Vipassana habe ich meine Gelassenheit und meine innere Fähigkeit zum Glücklichsein gefunden. Und das war das schönste Geschenk für eine glückliche und erfüllte Lebenseinstellung. 

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